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Interview
für "Strange Days" in Japan
Januar 2001:
Das folgende
Interview mit Phil Pickett wurde im Januar 2001 für das
japanische Musikmagazin "Strange Days" gemacht. Phil
sollte einige Fragen über die SAILOR Bandgeschichte in
Verbindung mit den Wiederveröffentlichungen der beiden SAILOR
Alben "Hideaway" und "Trouble" im Februar /
März 2001 in Japan beantworten.
Vielen
Dank Phil Pickett!!
Frage: Wir würden gerne mit der Zeit vor SAILOR beginnen, aber was hast du getan bevor du an dem Album KAJANUS/PICKETT mit Georg Kajanus gearbeitet hast (übrigens, könntest du uns bitte auch die exakte Aussprache seines Nachname sagen)?
Wie hast du Georg kennengelernt und wie habt ihr beide damit begonnen, zusammen Musik zu machen? Habt ihr beide irgendeine musikalische Ausbildung?
Phil:
Ich habe Georg zum ersten mal getroffen, als ich für
Musikverleger Edwin H. Morris arbeitete, eine alte
Hollywood-Familien-Firma, deren Titel "White
Christmas", "Crying In The Chappel" und eine
frühe Version des "Grease" Musicals umfassten. Ich war
kurz zuvor nach London von Birmingham gezogen - eine große
industrielle Stadt in der Mitte England, wo ich im
Bäckerei-Gewerbe gearbeitet hatte und auch meine erste Band nach
dem College gegründet hatte - eine R&B Formation namens
"The Blues Unit".
Vom ersten Moment an, in dem ich Georgs Demoband hörte (es war
meine Aufgabe, hunderte von Bändern durchzusehen, die von
erwartungsfrohen Komponisten und Künstlern eingeschickt wurden),
liebte ich einfach den Klang seiner Musik (und ich habe immer
noch das Demo von "Say Hello"). Außerdem hatte ich die
überwältigende Intuition, dass ich der ideale Musiker sein
könnte, um seinen charakteristischen Sound zu komplettieren.
Noch bevor wir uns je getroffen hatten überredete ich den
Verleger, dass Georg ein Komponist war, den er unter Vertrag
nehmen sollte.
Später, kurz nach der Veröffentlichung seiner ersten Single,
hörte ich die Aufnahme in der Tony Blackburn Show auf Radio 1
und nahm all meinen Mut zusammen um Georg zu Hause anzurufen und
um ein Treffen zu bitten. Georg (dessen Nachname man
"Ky-ar-nus" spricht), erlaubte mir großzügig, mir die
Freiheit zu nehmen, mich selbst zum Abendessen bei ihm zu Hause
einzuladen. In einer sehr charmanten Art ging er auf meinen
Enthusiasmus ein und stimmte zu, einen komplett Fremden an seinem
Esstisch zu unterhalten, darüber hinaus noch einen Fremden, der
darauf bestand, dass sie zusammen Musik machen sollten!
Man kann sagen, dass ich noch nie zuvor jemand wie Georg
getroffen hatte und sofort von seiner einnehmenden Präsenz und
seiner exotischen Vergangenheit beeindruckt war, auch von der
Tatsache, dass er Norweger mit russischen Familien-Verbindungen
war. Ich war ein einfacher "Brummie", (d.h. ein
Einheimischer Birminghams) und fand dies alles sehr seltsam und
aufregend, glaubte aber trotzdem fest daran, dass zwischen uns
sehr erfolgreiche Dinge passieren könnten.
Wir kamen sehr gut miteinander klar und er ging auf meinen
Vorschlag einer Zusammenarbeit ein und stimmte zu, etwas zu
versuchen. Dies führte zu ausgedehnten, nie da gewesenen
Schreib- und Arbeitssitzungen und auch dem puren, freudigen
Genuss der Kreativität, zumindest von meiner Seite aus. Wir
nahmen einige der Bänder mit zu Don Powel Hunter, einem
Amerikaner, der bei der GTO in London arbeitete (die auch David
Bowie und Mott The Hoople managten), der uns sofort einen
Plattenvertrag mit "Signpost" anbot - Arty Moguls Label
bei Atlantic Records in Amerika.
Ich werde nie vergessen (ich denke, Georg geht es genauso), wie
ich in dem Restaurant auftauchte, in dem er Teller wusch. Ich
wedelte mit einem großen Scheck vor ihm herum, er grinste nur
breit, lies die Abwaschbürste fallen und ging ruhig aus dem
Restaurant - und kam nie zurück!
Wir nahmen das Kajanus-Pickett Album in mehr als drei Monaten in
Londons Morgan Studios (nun Zomba) auf und bekamen tolle
Kritiken. Trotzdem wurde es früh klar, dass wir , obwohl wir
alle Instrumente selbst gespielt hatten und sehr stolz auf unsere
Arbeit waren, immer eine Band brauchen würden, um unsere Alben
erfolgreich zu vermarkten.
Georgs Urgroßvater war der berühmte Komponist Robert Kajanus,
der auch ein Verbündeter von Sibelius war. Wie bereits erwähnt
kam Georg aus Norwegen, wuchs aber auch in Paris auf und
verbrachte dort viele Jahre, und später in Toronto, wo er zum
College ging. Ich glaube nicht, dass er irgendeine formelle
musikalische Ausbildung hatte, und es ist traurig zu sagen, aber
ich hatte auch keine. Er half bei der Gründung von Eclection
(der Name stammte von Joni Mitchell), eine Folk-Rock-Band mit G's
12-saitiger Gitarre in England, und davor hatte er in Kanada in
Folk-Gruppen gespielt.
Mein Vater war ein RAF Pilot und außerdem ein hoch angesehener
Jazz Pianist. George Shearing war ein Freund von ihm und taufte
ihn Phil "Body and Soul" Pickett wegen seinem bekannten
1940er Jazz Stil. Er kam tragischerweise bei einem Flugunfall in
Bulawayo in Afrika ums Leben als ich 3 war, und meine Mutter und
ich kehrten nach England zurück. Ich war immer sehr interessiert
an Musik, aber niemals interessiert genug um durch die
Foltermethoden der Klavierlehrer in den 50ern und 60ern zu gehen,
so dass ich mir das Spielen selbst beibrachte, indem ich Titel
frei nach Gehör am Piano nachspielte.
Frage: Bei SAILORs Debüt in 1974 hattet ihr einen exotischen Geschmack angenommen und verwendetet große Harmonien. Wurde diese musikalische Richtung mit allen Mitgliedern besprochen und abgestimmt? War diese Art von Musik ketzerisch (oder anders ausgedrückt, seltsam...) in der englischen Musikszene der damaligen Zeit?
Phil:
Die Verwendung großer Harmonien in Verbindung mit sehr
einfachen aber starken und atospherischen Klängen, die wir
benutzten, war auf jeden Fall ein Versuch anders zu sein, aber es
verband auch einige unserer Lieblingsmusiken dieser Zeit.
"Surf's Up" von den Beach Boys war ein sehr
einflussreiches Album für uns, aber wir mochten auch die
Richtungen von Jaques Brel und Kurt Weil in der eher
europäischen "Cabaret" Tradition.
Man kann sagen, dass Grant, unser Schlagzeuger, zuerst auf die
Originalität von Georgs Konzept ansprang, das er um dunkele und
heimliche Nächte der Ausschweifung beim Verlassen des Hafens um
einen Haufen mutiger und wilder Matrosen aufbaute - tatsächlich
ziemlich gegenteilig zu der Musik, an der wir gearbeitet hatten,
als wie den Vertrag bekommen hatten. Ursprünglich war die Musik
an der wir arbeiteten, mehr Mid-Atlantischer Harmony Rock a la
Doobie Brothers oder Hall and Oates. Henry, ein weiterer Freund
von mir, stieß zu dieser Zeit ebenfalls zu uns, genau wie Grant,
und die Entscheidung wurde bewusst von uns allen getroffen,
angetrieben von Grants Enthusiasmus etwas wirklich einzigartiges
und - wie es ja auch der Fall war - ziemlich kontroverses zu
versuchen.
Tatsächlich bekamen wir den Vertrag bei CBS durch die Stärke
von Songs wie "Traffic Jam" (was mehr im Stil von
"Kajanus/Pickett" Songs war), und somit waren CBS ein
bisschen verwirrt, obwohl positiv, über diese plötzliche
dramatische Richtungsänderung, besonders als sie uns in einem
kleinen Theater in Wood Green, North London spielen sahen.
Niemand anders hatte den Mut oder die Idee (a) kurze Haare zu
haben - sehr neuartig zu dieser Zeit - und (b) die
einfache Kühnheit, weiße Matrosen-Jungs-Outfits zu tragen. Dies
wurde als sehr seltsam angesehen, aber in Verbindung mit den
anderen Aspekten eines hoch theatralischen Auftretens - der
Nicht-Verwendung von elektrischen Gitarren (anfangs!), der
Nicht-Verwendung von Bass-Gitarren (eine weitere Neuerung - der
einzige Künstler, der zu dieser Zeit einen Keyboard Synth Bass
benutzte, war Stevie Wonder) ein gigantisches Keyboard voll mit
Sounds und Lichtern (bedient von 2 Personen: Henry und mir)
namens "Nickelodeon" (*auf jeden Fall eine noch nie da
gewesene Erfindung!)... alles zusammengefügt zu einer wirklich
einmaligen Erfahrung für uns und das Publikum Wir waren
seltsam, aber die Leute liebten uns.
Frage: Wessen Idee war es, eine gefälschte Biographie zu erfinden? Diese Biographie zu schreiben muss bestimmt Spaß gemacht haben...
Phil:
Dennis Boyles, eigentlich ein Freund von Georg hatte die
Idee einer phantastischen Geschichte passend zu der einzigartigen
Phantasie, die wir zu kreieren versuchten. Er ist mittlerweile
ein hoch angesehener Autor für jegliche Art von einflussreichen
/ intellektuellen Veröffentlichungen in den USA (später hatte
er auch die Idee für den Titel und das Konzept des Covers von
"Dressed For Drowning") und ist immer noch ein enger
Freund. Auf einer Ebene - nämlich der Phantasiewelt mit
Hafenstadt-Ambiente, konnte man wirklich an das Märchen vom
"Le Matelot" und "Le Pomme Flasque" glauben.
Wie alle jungen Leuten, ehrgeizig und gerade am Beginn der
Karriere, bemerkten wir nicht wie besonders unsere wahren
Lebensgeschichten waren, und wir waren damals wahrscheinlich
sicher, noch nicht so viel erreicht zu haben. Es war viel einfach
für Georg, es zu akzeptieren, und ich denke manchmal glaubte er
sogar selbst, dass diese Geschichten wahr waren!
Durch das Schreiben dieser Songs tauchte er tiefer in die Welt
von Zuhältern, Prostituierten und Matelots ein als der Rest von
uns - und um der Inspiration Willen war er auch glücklich, darin
bleiben zu können. Obwohl es nun sehr lustig ist, sich daran zu
erinnern, fühlte der Rest von uns sich ziemlich unwohl mit
dieser Fiktion, wahrscheinlich weil wir - im Gegensatz zu Georg -
alle Familien, Freunde und eine Vergangenheit in England hatten.
Wie Georg sich oft geheimnisvoll in späteren Interviews zu
diesem Thema äußerte - "Zu einem gewissen Grad kann es
alles als wahr betrachtet werden" - also warum sollten wir
darüber streiten?
Frage: Das Nickelodeon, das von Georg erfunden (?) wurde und eine eindrucksvolle Rolle bei SAILORs Live Shows spielt, wurde als Instrument bezeichnet, das "in der Lage ist, den Klang von Piano und Glockenspiel gleichzeitig zu erzeugen", aber was für eine Art von Instrument war es wirklich? Wir denken, dass es bestimmt sehr schwierig war, mit so einem kompliziertem Instrument zu reisen...
Phil:
Das Nickelodeon war komplett einzigartig und zur
damaligen Zeit revolutionär. All die Dinge, die Musiker
heutzutage mit MIDI lösen können, wurden auf mechanischem Weg
zusammengeführt mit einer atemberaubenden Vision und Präzision
von Georg. Natürlich halfen wir ihm alle dabei, dieses Ding zu
bauen - aber es erinnerte sehr an die Art der Zeichentrick-Mäuse
in Disneys "Cinderella".
Es bestand aus zwei Rücken an Rücken gestellten Kemble Pianos
auf einer Box, Löcher waren zwischen die Tasten gebohrt worden
und gummierte Stöcke, die von den Piano Tasten herunter
gedrückt wurden, spielten einen Prototyp der frühen ARP
Synthesizer auf exakt dem selben Ton darunter, so dass die selbe
Note erzeugt wurde (hoffentlich!) wie auf dem Piano darüber.
Währenddessen entstand über der Piano Tastatur ein wirklich
grässliche aber effektive Vorrichtung namens
"piano-mate", deren Klang man nur optimistisch als den
einer Straßenorgel beschreiben konnte, aktiviert durch einen
Kolben-Apparat sobald eine Piano Taste herunter gedrückt wurde.
Um das ganze dann zu krönen hatte Georg sich ein Glockenspiel
oben auf der ganzen Konstruktion ausgedacht, das durch nichts
geringeres als einen elektrischen 24er Türklingel Mechanismus aktiviert
wurde, der eine Note spielte, wenn die entsprechende Piano Taste
angeschlagen wurde.
Wenn das ganze Ding funktionierte (man muss sagen, dass dies
nicht immer der Fall war) - war es einfach unglaublich - Ein
wahres Kraftwerk voll musikalischer Verrücktheit. Zusammen mit
dem Nebelhorn Bass Synth (gespielt von mir) und vierstimmig
ausgearbeiteten Stimmharmonien plus Georgs elektrischer
12-saitiger Gitarre war es alles sehr beeindruckend. Auf jeden
Fall sehr temperamentvoll. An einem schlechten Tag, oder mit
unsympathischer Behandlung klang es wie ein Sack voller Wiesel,
die von einem wütenden Hund angegriffen wurden!
Natürlich wurde es zum Ärgerniss aller Road-Crews. Sie hassten
alles an ihm, wie Menschen nunmal alles hassen, was sie nicht
wirklich verstehen. Nach einer unserer letzten großen
Europa-Tourneen in den 70ern wurde der Glock-Mechanismus im
wahren Keith Moon Stil in einer wahren Zeremonie von unserer
frustrierten Crew vom Dach eines Hotels in Wien geworfen.
Frage: Das zweite Album, "TROUBLE", hat zwei Top 10 Hits produziert, "Glass of Champagne" und "Girls Girls Girls", aber was für eine Art von Fan-Gefolge unterstützte euch während dieser Zeit? Hattet ihr damals schon einen hohen Grad an Berühmtheit in Europa erreicht, so wie in Deutschland und Holland?
Phil:
Wir hatten eine große Fan-Basis zu dieser Zeit, weil
wir nie aufhörten zu arbeiten. Plötzlich zogen wir jüngere
Pop-Fans an und waren ständig im Fernsehen, bei Sendungen wie
"Top Of The Pops" und "Supersonic" und
ähnliche Shows in Holland, Deutschland und anderswo.
Es war ein bisschen verwirrend für die Fans - besonders für die
älteren, die es gewohnt waren, unsere eher "dunkeles"
Theater-Cabaret und die durch die "Dreigroschenoper"
inspirierte Musikalität zu sehen, plötzlich all die tanzenden
Mädchen und so viel Glitter zu sehen. Wir realisierte, dass dies
ein Zug war, auf dem wir mitreisen mussten - und es hab kein
zurück, aber es war auch gleichzeitig sehr unterhaltsam.
Frage: Ein paar Jahre nach den Debüt tratet ihr in Matrosen-Anzügen und Piraten-Kostümen auf und trugt sogar Make-Up. Bei einigem Glam Rock Compilations seit ihr ebenfalls vertreten, wurde SAILOR also in manchen Gebieten als Glam Rock Band angesehen?
Phil:
Mit Sicherheit. Wir haben uns selbst nie als eine
"Glam-Rock" Band gesehen, aber die Presse neigt immer
dazu, alles in Boxen zu stecken. Ich vermute es war der Beginn
des sehr strikten "In-Schublade-Stecken" von Musik und
Künstlern, das auch heute noch vorherrscht. Ich bin stolz
darauf, dass wir uns nie selbst an irgendein bestimmtes Genre
gebunden fühlten und versuchtem, einzigartig zu sein - nicht
immer der erfolgreichste Weg um als Besitzer vieler Mercedes' zu
enden und Polo mit Mike Rutherford zu spielen!
Frage: Das dritte Album, "THIRD STEP" war sicherlich ein Epic Album, das all eure musikalischen Konzepte der frühen Jahre abdeckte. Dann auf dem nächsten Album, "CHECKPOINT", arbeitetet ihr mit Produzent Bruce Johnston, aber war der Grund für diese Zusammenarbeit das Ziel, den amerikanischen Markt zu erobern? Wessen Idee war es, mit Bruce Johnston zu arbeiten?
Phil:
Ich kann mich nicht daran erinnern, wessen Idee es war,
Bruce zu wählen. Wir hatten zwei Alben mit Lesser und Holmes
gemacht, "Trouble", unser größtes Album aller Zeiten,
und später "The Third Step". Irgendwer in A&R bei
CBS dachte wohl es sei eine gute Idee jemand neues hinein zu
bringen.
Oh, jetzt fällt es mir wieder ein - es war der Beginn des US
Disco Sound und Curt Becher - Bruces Partner, mittlerweile leider
verstorben, wurde als der hohe Priester des Dance Floor Sound
angesehen. Also ja - ich denke es war ein verspäteter versuch,
den US Markt zu erobern.
(Ich war übrigens nicht beteiligt am "Checkpoint"
Album mit Bruce und Curt, da ich mit Georg über sein dauerhaftes
Bestehen auf das alleinige Schreiben sämtlichen Materials
gestritten hatte. Henry und Grant hatten dies immer akzeptiert,
aber ich hatte auch die Ambition ein erfolgreicher Songschreiber
zu werden und hatte damals das Gefühl, dass wir das Netz weiter
auswerfen müssten, um bessere Songs zu bekommen - also verließ
ich damals die Band.)
Frage: Das Album, "HIDEAWAY", das nun zum ersten mal auf CD in Japan wiederveröffentlicht wird, wurde nur in Europa veröffentlicht und war den japanischen SAILOR Fans deshalb lange unbekannt und ein schwer zu findendes Sammlerstück. Dieses ALbum markiert außerdem den Zeitpunkt eurer Trennung von Epic Records. Gab es einen bestimmten Grund dafür, dass die Veröffentlichung dieses Albums in England gestrichen wurde?
Phil
Wir kamen wieder zusammen um das "Hideaway"
Album aufzunehmen um keine Probleme mit unserem Management zu
bekommen und auch wegen eines Mangels an Vertrauen unserer neuen
Plattenfirma. Zusätzlich zu unseren Sorgen waren es nun die
späten 70er, und die Sex Pistols waren in der Szene angekommen!
Plötzlich fühlten wir, dass die Unterstützung von Epic über
Nacht verschwinden würde, wenn wir uns nicht die Brustwarzen
piercten und unsere Haare hochsprühten.
Wir hatten mit dieser Vermutung recht. Die Zeiten hatten sich
geändert, und wir waren weder die erste noch die letzte Band,
die eine Erfahrung mit der wankelmütigen Hand der Musikindustrie
machen mussten.
Wir waren trotzdem sehr stolz auf "Hideaway" und hatten
viel Spaß bei den Aufnahmen zu diese Platte in der Whitfield St.
Ich vermute, dass Georg insgeheim etwas verärgert darüber war,
dass seine Macht untergraben worden war, aber er war dennoch
großzügig wenn es darum ging, an den Songs der anderen
Bandmitglieder zu arbeiten. Er schrieb "Give Me
Shakespeare" - was wir auch heute noch bei unseren Shows
spielen - meiner Meinung nach ein wahrer Klassiker, bei dem man
den Einfluss hören kann, zu versuchen, ein wenig den Aspekt von
"Punk"-inspirierten Texten zu liefern. Wir konnten es
nicht fassen, dass Epic entschied, die Platte nicht im UK zu
veröffentlichen, und wenig später ließ uns das Label fallen.
Das war ein großer Rückschlag.
Jemand ganz oben hatte "auf den Knopf gedrückt" und
das war's. Plattenfirmen können manchmal sehr kurzsichtig sein,
und meiner Meinung nach sollten sie zu ihren Künstlern stehen
wenn die Dinge zwischendurch mal schlechter laufen. Aber c'est la
vie - so ist das Leben.
Wenn ich mir heute allerdings die Platte anhöre, dann klingt sie
immer noch toll - frisch, voller Energie und wirklich guten
Ideen.
Frage: Nachdem Georg und Grant die Band verlassen hatten, wechseltet ihr zur Plattenfirma Caribou und verlagertet eure Basis nach Amerika, wo ihr das Album "DRESSED FOR DROWNING" mit Gavin und Virginia David aufnahmt, aber wie war das Aufnehmen in Amerika? Wie wurden Gavin und Virginia Mitglieder? Sind sie ein Ehepaar?
Es scheint so, als hättet ihr in der selben Besetzung noch ein weiteres Album, "TV LAND" aufgenommen, doch was für eine Art von Album war das?
Phil:
Nachdem SAILOR zerbrach begann ich mit dem Schreiben
neuer Songs und dachte eigentlich an ein brandneues Projekt mit
Henry. Wir hatten eine harte, aber sehr lustige und
unvergessliche Zeit zusammen - aber das ist eine andere
Geschichte.
James William Guercio, der legendäre US Produzent und Manager
von "Chicago" und "Blood Sweat and Tears",
hörte das Band und stieg in ein Flugzeug ins UK, erschien vor
meinem Haus in einer Limo, die eine Meile lang war, mit einem
riesigen Cowboy Hut, Fellmantel und Stiefeln mit echten Sporen!
Zum Glück hatte er außerdem noch ein großes Scheckbuch dabei
und wollte, dass wir sofort zu seinen berühmten Aufnahmestudios
"Caribou" in Colorado USA kamen. Da nahmen wir das
"Dressed For Drowning" Album auf, und es war gerade
fertig gestellt, als Dick Asher - der Chef von CBS (Besitzer von
Caribou Records) und großer SAILOR Fan, darauf bestand, dass die
Band SAILOR hieß, oder in seinen Worten: - "Goddam' it -
Phil and Henry are in the band so it's gotta' be SAILOR!"
Ginny und Gavin sind Geschwister und kamen in die Band, um diese
Platte aufzunehmen, und als sich die Dinge ergaben, kamen sie
also auch in die neuen "SAILOR". Ich hatte sie
ursprünglich in einem Folk Club in Cornwall singen hören, als
ich dort gelebt hatte, und liebte den Klang von Ginnys Stimme
(immer noch!)
Wir nahmen dann das Nachfolgealbum "TV Land" auf, das
nie veröffentlicht wurde. Der Grund dafür war, dass alle CBS
Leite in den USA, die uns unterstützt hatten, in der legendären
sogenannten "Night of the Long Knives" entlassen
wurden, als Plattenfirmen durch einen Finanziellen Zusammenbruch
dezimiert wurden.
"TV Land" ist im Geist ähnlich wie "Dressed For
Drowning" und hat einige inspirierte Songs. Wir waren
mittlerweile daran gewöhnt, den Namen SAILOR weiterzutragen, und
unsere früheren Einflüsse waren auf dieser Platte vielleicht
noch deutlicher.
Frage: Nachdem SAILOR zeitweise nicht mehr existiertem wurdest du Mitglied bei CULTURE CLUB, aber seit wann kanntest du sie? War deine Rolle in CULTURE CLUB so wie die eines musikalischen Leiters?
Phil:
Als ich nach der oben genannten Episode aus den USA
zurück kehrte begann ich mit jeder Menge Session-Arbeit, viel
davon mit jüngeren Punk-beeinflussten Band. Eine davon, die
"Sex Gang Children" mit einem prächtigen und jungen
Boy George wurden später zu "Culture Club". George war
ein großer Fan der Glam-Rock Zeit und hatte SAILOR regelmäßig
im Fernsehen gesehen. Die Band schien eine Menge Respekt dafür
zu haben, dass ich in einer Hit Band gewesen war (bevor sie es
"geschafft" hatten) und baten mich, für sie zu spielen
und auch Harmonien zu singen und zu arrangieren. Wenig später
brachte ich überall Ideen ein - so ähnlich wie in meiner Rolle
in SAILOR - wurde akzeptiert und erreichte das Schreiben von
"Karma Chameleon" und anderen Songs.
Als die Zeit verging wurde ich mehr und mehr wie ein
musikalischer Leiter behandelt, denk ich, besonders während der
Arbeit am "From Luxury To Heartache" Album mit Arif
Mardin in der Schweiz, als bestimmte Mitglieder kaum anwesend
waren - zumindest nie gleichzeitig! Gute Zeiten und einige Hits!
Meine größte Ehre war der Erhalt von zwei Ivor Novello Awards
für meine Arbeit mit Culture Club. Außerdem gab es mir die
Gelegenheit, dreimal mit der Band Japan zu besuchen - auch eine
große Ehre und Freude.
Frage: Gab es einen speziellen Anlass, der zur Wiedervereinigung von SAILOR in 1991 führte? Es scheint so, als ob die anderen Mitglieder, außer Georg, der damals in DATA war, an TV Soundtracks arbeiteten, aber seid ihr durch diese Art von Arbeit in Kontakt geblieben? Wir wissen auch, dass Grant als Naturwissenschafts-Lehrer an einer Schule gearbeitet hat?
Seid ihr nach eurer Wiedervereinigung gleich wieder in Europa aktiv gewesen? Ihr habt ein neues Model vom Nickelodeon kreiert, das auch auf dem Album Cover zu sehen ist, aber können wir uns dieses neue Nickelodeon als eine Art Keyboard Maschine (?) ansehen, die auch mit Lichteffekten und Nebelmaschine ausgestattet ist?
Phil:
Henry hatte mit Georg zusammen gearbeitet, ihm geholfen,
"DATA" in Schwung zu bringen, und außerdem viel
Material für Werbung und Fernsehen komponiert. Grant war zurück
zum klassischen Lehrer-Beruf gegangen, den er zu Beginn von
SAILOR aufgegeben hatte. Wir blieben alle in Verbindung, wenn
auch in unterschiedlichen Graden. Mein Verleger, der Verbindungen
zu BMG in Deutschland hatte, meinte, es bestünde dort großes
Interesse an einem neuen SAILOR Album, und nachdem wir uns alle
einig waren, dass dies eine gute Idee war, kamen
"Sailor" und "Streetlamp" dabei heraus. Es
war toll zu sehen, dass der "SAILOR Sound" und die
Chemie auch nach 10 Jahren immer noch sehr intakt war, und das
konnte schon bald mit zwei Hit Singles gefeiert werden -
"The Secretary" und "La Cumbia".
Damals hatten wir noch nicht die Absicht, wieder live
aufzutreten. Aber ich hatte einen Konzertveranstalter namens
Rainer Haas in Deutschland kennengelernt (während ich einen
Künstler managte, den ich in London entdeckt hatte -
"Keziah Jones", der sehr erfolgreich in Europa und auch
in Japan wurde - wie einige von Euch sicherlich wissen).
Er bot uns die phantastische Möglichkeit, das nicht mehr
funktionierende Nickelodeon neu zu bauen, und, wenn wir
zustimmten mit den 4 Original Mitgliedern wieder "live"
aufzutreten, garantierte er mehr al 100 Konzerte in Europa. Diese
Chance war zu gut, um sie zu verpassen, und so stellten wir uns
der Herausforderung. Es war ein phantastischer Erfolg.
Frage: Das 1992er Album, "STREET LAMP" ist in Japan nicht zu bekommen, ist es nur in Deutschland veröffentlicht worde?
Phil:
Richtig, soweit ich weiß auch noch in Holland.
Frage: Wir haben gehört, dass in 1991 eine Person namens Bizarro SAILOR Schwarzpressungen veröffentlicht hat. Ich (der Autor) habe eine Version von einem holländischen Label, Harmony. Diese Schwarzpressungen beweisen eure große Popularität in Europa, aber wir denken trotzdem, dass es eine unfaire Aktion ist. Hast du irgendetwas von diesem Bootlegger gehört?
Phil:
Ja, und ich möchte lieber nichts darüber sagen, denn
diese Leute sind keinen Kommentar wert.
Frage: War SAILOR seit der Wiedervereinigung konstant aktiv? In 1995 ging Georg, und in 1999 verließ Henry die Band, aber wir hörten, es seien friedliche Trennungen gewesen. Wir wissen, dass Georg nun in NOIR ist, aber was mach Henry heutzutage?
Phil:
SAILOR genießt heute wohl größeren Erfolg bei live
Konzerten als jemals zuvor. Wir haben eine ganze neue Fangemeinde
aufgebaut, mit alten Fans und jeder Menge neuen Fans, die noch
nicht einmal geboren waren, als wir in den 70ern Hit Aufnahmen
hatten. Die Bühnenshow hat viele Veränderungen durchgemacht,
drückt aber immer noch den magischen Geist des ganz speziellen
"SAILOR Sounds" aus, an dem wir immer Spaß hatten. Das
ist schließlich der Hauptgrund, weshalb wir es immer noch tun.
Natürlich mussten wir die Show ein wenig anpassen, um neues und
jüngeres Publikum anzuziehen, aber wir spielen jetzt vor
größeren Mengen denn je und bekommen immer außergewöhnlich
gutes Feedback.
Leider haben beide, erst Georg und vor kurzem Henry, sich dazu
entschlossen, SAILOR zu verlassen, aber gleichzeitig hatten wir
das Glück, besonders talentierte Individuen in Form von Peter
Lincoln, unserem eleganten Gitarrenhelden und Lead-Sänger, der
Georg ersetzte, und auch Anthony England, unserem
Maestro-Keyboarder, der Henrys Platz in der Besetzung einnahm, zu
finden.
Wir respektieren natürlich ihre Entscheidungen für das
Verlassen der Band, und es waren beides freundschaftliche
Trennungen. Georg wollte sich auf seine Solo- und Noir-Projekte
konzentrieren, und Henry wollte seinen erstaunlichen Musical und
Theater Projekten viel mehr seiner Zeit widmen und fühlte, dass
es Zeit war, weiterzugehen. Obwohl es traurig ist, ist durch
Peter und Anthony nun eine Menge neuer, junger Kraft in der Band
(die Grant und mich gut auf den Beinen hält!).
Frage: Du bist außerdem in der Musical Welt aktiv und arbeitest an Musicals wie "MASK" und "CASPER", aber denkst du, dass deine Erfahrung mit SAILOR eine Art Inspiration für diese Aktivitäten ist?
Phil:
Wie bereits erwähnt haben Henry und ich alle Songs für
die drei Musicals in der Zeit von 1998-2000. -
"Casper", "The Mask" und
"Spider-Man". Obwohl es sehr harte Arbeit war, bin ich
sicher, dass die vielen Jahre der Zusammenarbeit in SAILOR dem
Prozess enorm geholfen haben. Unsere "Casper" Show hat
zahlreiche Songs, bei denen man die Einflüsse dieser Tradition
hören kann - sagen einige Leute - und das war die Show, die es
auf die Bühne in Londons berühmtem Shaftesbury Theatre am West
End schaffte und auch bald in den USA produziert werden wird.
Frage: In Japan verwechseln dich die Leute und die Medien manchmal mit einem anderen Musiker namens Phil Pickett (der mit Richard Thompson spielt), aber passiert das auch in England? Kennst du ihn persönlich?
Phil:
Wir haben den gleichen Frisör (!) und haben viele
gemeinsame Freund wie Dave Pegg und Richard Thompson, haben uns
aber noch nie getroffen. Einmal gab ich einige Tantiemen zurück
- Ich muss sagen es war ein sehr kleiner Betrag, der irrtümlich
für einen Song namens "Hopping Down In Kent" war, den
der andere "Phil Pickett" wohl geschrieben hatte, doch
dann machte ich mir Sorgen, dass der andere möglicherweise
einige meiner Culture Club Tantiemen bekommen haben könnte! -
Alles sehr erschreckend, aber am Ende war dann alles in Ordnung.
Frage: Habt ihr irgendwelche Pläne für eine Tournee außerhalb Europas? Wir würden hier in Japan gerne irgendwann einmal SAILORs live Show sehen.
Phil:
Sprich mit deinen Freunden! Wir würden sehr gerne
kommen wenn es eines Tages die Möglichkeit gäbe. Ich war
bereits einige male in Japan mit Culture Club uns später mit
Keziah Jones, ich liebe euer Land, und ich weiß genau, dass alle
anderen in der Band, die noch nie dort waren, die Chance auch
nutzen würden.
Ich habe dieses Interview sehr
genossen, und sag bitte ein großes "Hi" an unsere
japanischen Freunde - vielen, vielen Dank!
Very best wishes,
Phil Pickett
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