Sammelalbum
1976



Aus "Popfoto"

SAILOR: "Die schönsten Bordelle gibts in Amsterdam!"
Das Popfoto Leser-Kreuzverhör
Was tut ein SAILOR, wenn er in eine Hafenstadt wie Hamburg kommt? Er geht auf die Reeperbahn und schaut auch bei den netten Damen in den diskreten Seitenstraßen vorbei. Das und noch viel mehr erfuhren Andrea (16), Gabi (15) und Maren (18), als sie für POPFOTO die vier Hit-SAILOR kreuzverhörten.

Henry, du trägst eine Rose in der Hand. Magst du Blumen?
Henry: Ja, sehr. Aber normalerweise laufe ich nicht so herum. Ich habe diese Rose gerade von einem Fan bekommen.
Wie seid ihr zusammengekommen? Ihr habt doch früher in verschiedenen Gruppen gespielt.
Georg: Wir trafen uns vor rund sechs Jahren in Paris und haben den Kontakt zueinander nie abreißen lassen. Vor zwei Jahren kamen wir in London wieder zusammen. Seitdem gibt es SAILOR.
Wie fühlt ihr euch, wenn ihr auf der Bühne steht?
Grant: Nun, wir versuchen eine gute Show zu bringen. Wir wollen nicht nur unsere Lieder spielen, sondern das Publikum in unsere Show integrieren, indem wir mit den Leuten sprechen. Wenn das alles klappt - und das tut es ziemlich oft - dann ist das ein ganz aufregendes Gefühl. Das kribbelt den ganzen Rücken runter.
Ihr singt über Seemänner, Hafenkneipen, Prostituierte und all diese Dinge. Wie kamt ihr dazu?
Georg: Ich bin in meinem Leben ziemlich viel herumgekommen und habe dabei eine ganze Menge erlebt, über das ich jetzt schreiben kann. Allerdings: Nicht jeder unserer Songs basiert auf persönlichen Erfahrungen. Die ganz schlimmen Geschichten haben wir uns alle nur ausgedacht...
Gibt es etwas, das euch an eurer Arbeit nicht gefällt?
Henry: Eigentlich ja - stellt euch doch mal unsere Situation vor. Das Publikum kommt zu einem SAILOR-Konzert und erwartet, dass es perfekt ist. Dass jeder Song so klingt wie auf Platte. Aber wir sind nun mal keine Supermenschen. Auch wir haben mal unseren schlechten Tag. Nur darf das unser Publikum nie merken. Wir müssen jeden Tag die optimale Höchstleistung bringen, jeden Tag die gleichen Songs in Perfektion. Das schlaucht ganz schön. Bei Plattenaufnahmen ist es noch härter. Da hört man später jeden Fehler haargenau. Also müssen wir im Studio noch hundertprozentiger arbeiten, und das meist noch unter Zeitdruck. Kommen dann noch persönliche Probleme hinzu, geht das ziemlich an die Nerven. Denn weil wir ständig zusammen sind, ist jedes persönliche Problem gleich ein Problem der ganzen Band. Hinzu kommen die vielen Reisen. Ich meine, es ist schön, die vielen Länder zu sehen, aber wenn du morgens aufwachst und nicht genau weißt, ob du nun in Stuttgart oder in Stockholm bist, ist es doch schon recht bedenklich. Von den meisten Städten sehen wir nicht viel. Wir sind meistens immer nur in Flugzeugen, Konzerthallen und Hotels.
Seid ihr denn schon hier in Hamburg aus dem Hotel herausgekommen?
Grant: Ja, gestern Abend. Da waren wir auf der Reeperbahn.
Haben euch die Leute auf der Straße erkannt?
Grant: Nein, ich glaube nicht. Aber in meinem Fall glaube ich sowieso nicht, dass mich die Leute beachten. Das liegt wahrscheinlich daran, dass meine Mutter nicht gerade eine Schönheit war... Aber im Ernst: Wir sind privat ziemlich unauffällig. Wir tragen dann ja keine Bühnenklamotten und haben auch keine extra hohen Absätze oder einen Ring durch die Nase.
Hat euch die Reeperbahn gefallen?
Georg: Mit persönlich nicht, aber den anderen. Ich hatte immer nur Angst, dass mir plötzlich einer im Rücken steht, und passte auf, dass meine Brieftasche nicht spurlos verschwand. Oder dass mir in manchen Lokalen nicht eine Frau mit ihrem Vibrator ins Gesicht sprang. Aber ich weiß auch, dass es auf St. Pauli kleine und sehr romantische Straßen gibt.
Meinst du die Straßen, in denen die Prostituierten stehen?
Georg: Ja. Wir waren auch in einer kleinen verschlossenen Straße, in der die Mädchen im Fenster saßen.
Die Herbertstraße.
Georg: Genau. Ich hatte schon viel davon gehört, aber sie gefiel mir nicht. Ich hatte immer das Gefühl, in einem Supermarkt zu sein. Amsterdam hat ein viel schöneres Bordellviertel als Hamburg, das inspiriert mich viel mehr.
Seid ihr nur durchgegangen, oder habt ihr einige der Mädchen etwas näher kennen gelernt?
Georg (wird rot): Nein, wir waren standhaft. Wir haben unsere einschlägigen Erfahrungen schon vor ein paar Jahren gesammelt. Jetzt machen wir sowas nicht mehr. Jetzt singen wir nur noch drüber.
Ihr seid doch verheiratet, oder? Was macht ihr eigentlich in eurer Freizeit?
Henry: In unserer Freizeit haben wir geheiratet, haha... Freie Stunden sind jetzt bei uns ziemlich selten, meistens haben wir mit der Band zu tun. Aber wenn wir mal ausspannen können, spielen wir Tennis oder Golf oder Crocket. Oder wir besaufen uns.
Trinkt ihr eigentlich, bevor ihr auf die Bühne geht?
Phil: Nein. Obwohl ich sicher bin, dass die meisten Leute nein sagen, die in einem Interview danach gefragt werden. Aber bei uns stimmt es wirklich. Ich kann gut verstehen, dass viele Musiker sich mit Drogen und Alkohol vollpumpen. Unser Beruf ist wirklich sehr hart, und in gewissem Maße können Alkohol und Drogen dir helfen, das durchzustehen. Aber du verlierst dabei in jedem Fall. Mit der Zeit betäubst du dich ganz automatisch und verlierst die Kontrolle über deinen Konsum. Das können wir uns nicht leisten. Wir brauchen unseren klaren Kopf.
Wer ist bei SAILOR der Boss?
Henry: Wir alle. Allerdings ist Georg der Songschreiber und hatte auch die ursprüngliche SAILOR-Idee. Ich glaube, wir sind ein Kabinett und Georg ist der Premierminister.
Euer Nickelodeon ist auf der Welt einmalig. Wie seid ihr dazu gekommen?
Phil: Das kam irgendwie von selbst, nachdem wir unsere erste LP aufgenommen hatten. Das war ein Sound aus sehr vielen verschiedenen Instrumenten. Im Studio war dieser Sound technisch kein Problem, auf der Bühne aber ging das nicht. Da hätten wir wie die Wilden immer von Instrument zu Instrument springen müssen. Deshalb bauten wir alle Tasteninstrumente, einen Bass und ein paar andere Dinge zu unserem Nickelodeon zusammen, das ziemlich einfach zu bedienen ist und den Sound eines ganzen Orchesters liefert. Georg hatte die Idee dazu.
Phil, du bist in Münster geboren. Sprichst du auch Deutsch?
Phil: Nein. Ich lebte nur ein Jahr in Münster, dann kehrten meine Eltern nach England zurück. Deutsch kann ich leider nicht.
Eure Band heißt SAILOR. Habt ihr schon mal eine längere Schiffsreise unternommen?
Georg: Lass mal überlegen - eigentlich nein. Ich bin mal von Calais nach Dover gefahren, länger war ich noch nie auf einem Schiff. Normalerweise fliegen wir immer. Dabei wird man auch nicht seekrank.
Was macht ihr, wenn ihr nach einem Konzert ins Hotel zurück kommt?
Henry: Nun, Grant, was machst du nach unserem Konzert, hahaha?
Grant: Normalerweise trinken wir heiße Schokolade. Dann gehe ich mit Mahler ins Bett.
Wer ist denn Mahler?
Grant: Gustav Mahler, ein klassischer Komponist. Den höre ich immer vorm Einschlafen.
Wo würdet ihr am liebsten Urlaub machen? Auf See?
Phil: Nein, in Deutschland. Ehrlich! Wir mögen das Land sehr. Aber solange wir so viel zu tun haben wie jetzt, ist an Urlaub nicht zu denken.
Wenn ihr schon nicht privat kommen könnt - wann kommt ihr zu Konzerten nach Deutschland zurück?
Georg: Irgendwann im neuen Jahr. Genau können wir das noch nicht sagen - wir wollen jetzt erst mal sehen, ob SAILOR auch etwas für Amerika ist.

Der Text neben den Fotos:
links:
Im Hamburger Intercontinental-Hotel trafen sich SAILOR mit den Kreuzverhör-Mädchen Gabi, Maren und Andrea.
Phil: "Ich brauche keine Drogen!"
Henry: "Man wacht morgens auf und weiß nicht, wo man ist!"
Georg: "Ich habe in meinem Leben ziemlich viel erlebt!"
Grant zu Gabi: "Meine Mutter war nicht gerade eine Schönheit..."
unten: SAILOR bedanken sich zum Abschied: "Euer Kreuzverhör hat uns Spaß gemacht!"

Vielen Dank an Thomas Henning (Berlin, Deutschland)!


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