Sailor August 1974 LP: Epic
EPC 80337 Georg
Kajanus: 12-saitige Gitarren und
Lead-Gesang |
Traffic
Jam |
Das deutsche Cover dieses Albums: |
Das USA Cover dieses Albums: |
Die USA Randbemerkungen des 1974er "Sailor" Albums: In 1936
hätte "Come to the Cabaret" eine Einladung ins
Le Matelot sein können, ein kleines Café in Paris
berühmt für seine Hausband und literarische Gestirne
die das kosmopolitische Caféhaus oft besuchten. Des
Nachts konnte man dort so kreative Talente wie Josephine
Baker, Janet Flanners, Chagall oder Fitzgerald dort
sehen, wie sie sich unterhielten, prahlten oder sangen an
dem Ort, den Hemingway diese "that contagious box of
music" nannte. |
Kritik aus
dem Magazin "Sounds", Ausgabe 2/1975:
Jetzt schreibe auch ich mal über eine Platte, die mir
von der CBS geschickt worden ist. Sie heißt Sailor und stammt
von einer englischen Gruppe, die sich ebenso nennt und lange in
Paris gelebt und gearbeitet hat, wo sie, bis es abbrannte, im Café
"Le Matelot" (was natürlich SAILOR heißt) aufgetreten
ist. Und die zehn Songs haben es, wen wundert's, ebenfalls
sämtlich mehr oder weniger mit Seemännern zu tun.
Abgesehen vom ersten, der es nur auf dem Umweg über eine
verdrehte Zivilisationskritik nach Art der Kinks - wie diese
Platte überhaupt mich häufig an die Kinks, wenn sie ganz easy,
ganz überlegen spielen, erinnert - mit Seemännern zu tun hat.
Das geht, husch, durch ein paar hundert Jahre Neuzeit, dann kommt
das Auto, immer mehr Autos, Autos für jedermann und jeden Zweck,
und wohin wird das führen? Richtig - in eine einzige riesige
weltweite Verkehrsstockung. Und dann? Dann muss man eben aufs
Meer ausweichen. So habe ich mir das zurechtgelegt.
Im nächsten Stück beschwert sich dann schon einer im Stil von
Heimweh, oh je, tut das weh, über die blaue Wüste, wo der Hafen
die einzige Oase weit und breit ist. Doch wenn er dort, Track
Three, die Füße auf den festen Boden setzt, dann wird der
Sailor zum swinging Sailor, damdidamdidam, es geht los, Leute,
damdidamdidam: let the booze flow, let yourself go.
Das könnte also beispielsweise in Amsterdam sein, wo die
Mädchen wie hübsche Puppen aussehen und in Schaufenstern
sitzen. Die "Girls Of Amsterdam" sind in der Oase
sozusagen die Wasserstelle. Die Musik klingt, wie sich das
gehört, reichlich melodramatisch. Nuttenromantik. Wer liebt
schon einen Seemann?
Und in dieser Art geht es weiter. Action, die Straße, das
Vergnügungsviertel, Mädchen - und endlich mal niemand, der
einen anbrüllt, was man zu tun und zu lassen hat. Irgendwann ein
Abstecher nach Paris, Follies Bergere: long live Josephine Baker,
das wandelnde Sex-Versprechen, nostalgisch verbrämt. Aber die
Mädchen auf der Straße sind Wirklichkeit, komm schon, Mama ist
weit weg, swinging Sailor zieht es zwischen die Laken.
Aber dann, am nächsten Morgen, will er raus, will er weiter. Hat
da wer von Liebe gesprochen, von immer und ewig? Vierzig Dollar,
wenn du mir jetzt endlich die Tür aufmachst, die Tür nach
draußen. Und zuletzt erklärt er's ihr: eine Nacht für den
Seemann, das ist euer Geschäft: er zahlt, darum seid ein bisschen
nett zu ihm.
Das Leben ist so eine Art Jahrmarkt, dies die Botschaft dieser
Platte, die ich nicht, bloß weil ich sie momentan ganz witzig
finde, zum musikalischen Ereignis des Jahres hochjubeln will.
Dies sind Songs, Texte mit Musik, meinetwegen Chansons, Kabarett,
Kleinkunst, witzige Texte mit dazu passender Musik. Jedenfalls
nichts für Leute, die von einer Schallplatte Musik und nur Musik
erwarten.
Von Helmut Salzinger