Best
Down By The Docks

June 2005

CD: Zounds 2700020137 B

All songs:
Georg Kajanus

Henry Marsh
Phil Pickett
Grant Serpell
except song 23: Peter Lincoln, Henry Marsh: Phil Pickett, Grant Serpell 1996

The Secretary
Girls Girls Girls
Traffic Jam
The Old Nickelodeon Sound
Precious Form
Sailor
Jacaranda
Panama
Latino Lover
Trouble In Hong Kong
A Glass Of Champagne
Stiletto Heels
One Drink Too Many
All I Need Is A Girl
It Takes Two To Tango
La Cumbia
Marinero
Give Me Shakespeare
Music
Street Lamp
Cool Breeze
Down By The Docks
Catwalk Girls

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Compilation: Wolfgang Eckart (SONY BMG) / Wolfgang Feld
Text: Hans-Joachim Nowitzki
Photos: Archiv: Katrin & Karsten Wagner (with thanks to James McCarraher!)
Remastering Song 22: Marc Urlen (& Karsten Wagner), FRK Freies Radio Kassel


Liner-notes - written by Hans-Joachim Nowitzki:

Translation to follow...

Booklet"Frage: Was hat acht Beine, kurze Haare, seltsame, theatralische Kleidung, keine elektrische Gitarre, ein Nickelodeon, eine Straftenlampe, eine tragbare Hafenkulisse und traut sich, sich selbst eine Band zu nennen?" Gegenfrage: Wer wagt es, so despektiertiche Fragen zu stellen?
Antwort: Die unerschütterlichen Fans einer Band, die eigentlich längst hätte untergegangen sein müssen. Sie veräppeln ihre Idole sogar auf ihrer eigenen Fan-Homepage (
www.sailor-music.com). In jedem Fall haben sie Humor: Sailor und die Anhänger dieser Kultband, die seit den frühen 70er Jahren manchen schweren Sturm überstanden haben und sich immer wieder bei Live-Konzerten treffen, als würden sie im Heimathafen einlaufen. Bis heute.
Legenden, Gerüchte, sicher auch Seemannsgarn ranken sich um die Geschichte der ungewöhnlichen Combo mit dem noch extravaganteren Instrumentarium, dem monströsen Nickelodeon, die zudem noch ganz unerwartet zwei Riesenhits landen konnten: Girls, Girls, Girls und A Glass Of Champagne.
"Was im Leben wahr ist oder nicht, ist meistens nur eine Frage der Perspektive oder der Erfahrung", drückte sich Georg Kajanus, Kopf von Sailor und immer eleganter Gentleman der Popszene, nach der Legende der Bandgründung befragt, in einem Interview einmal salomonisch aus.
Ganz im Sinne des Seemanns beschreiben denn auch die Fans die Band-Biographie: "Die Antwort beginnt vielleicht mit einem selten erzählten Märchen über einen Nachtclub in Paris in 1946, in dem der Besitzer, ein Monsieur Faux, darauf bestand, dass seine Hausband sich wie Matrosen kleidete, als Zeichen des Respekts für einen Seemann, der einige Jahre zuvor sein Leben gerettet hatte". Diese Tradition wurde angeblich bis 1970 fortgesetzt, als der Club, "Cafe le Matelot" genannt, niederbrannte.
Die letzten Mitglieder der Hausband, angeblich Phil Pickett und Georg Kajanus, kehrten nach London zurück, um Sailor zu gründen, die Kultband der 70er Jahre. Zu diesem Abenteuer gesellten sich Henry Marsh, ehemaliger Gitarrist und Keyboarder der Band "Gringo", und Grant Serpell, Schlagzeuger des Kult Jazz-Rock Phänomens "Affinity". Tatsache ist: Das "Cafe de Matelot" war eines der berühmtesten Pariser Cafehäuser und vielbeschriebener Stammtreff von Malern, Schriftstellern und Musikern aus Amerika und Europa. Ernest Hemingway nannte es liebvoll "einen ansteckenden Kasten voller Musik".
Passt es da nicht nur zu gut, dass Sailor, selbstin der europäischen Tradition verhaftet, das "Matelot" als ihre Geburtsstätte betrachten? Gesichert ist wohl auch, dass Steve Morris, Sohn des Musikmoguls Edwin H. Morris, eine der treibenden Kräfte hinter der Gründung, respektive Wiedereinigung von Sailor war. Morris lancierte das Gerücht der Wiedervereinigung von Sailor und trieb letztlich einen Zuschuss der Mid-Atlantic Arts Association auf, um die Neugründung zu finanzieren.
1973 war es soweit. Georg Kajanus und Phil Pickett, Grant Serpell und Henry Marsh spielten Demo-Aufnahmen in der damals klassischen Besetzung ein: zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug. Ordentliche Arbeit, aber keine Sensation. Hier folgt der Legende nächster Teil, entnommen der Fan-Biographie: "Eines denkwürdigen Tages - es geschah in jenem Raum, in dem Georg seine Songs zu schreiben und zu experimentieren pflegte - spielte er den anderen, nur so zur Unterhaltung, ein Demoband eines Musicals vor, das er zu schreiben plante. Der ungewöhnliche Klang von Harmonium, Mandoline, Glockenspiel, Pauke und Schifferklavier füllte den Raum. Der Song hieft A Sailor's Night On The Town und Grant sprang begeistert von seinem Stuhl auf und stellte fest, dass dies genau der Sound war, nach dem sie gesucht hatten."
Georg Kajanus war es tatsächlich, der dem Sailor-Projekt frischen Wind einblies. Er ist eine ungewöhnliche schillernde Figur. Georg Johan Tjegodiev Sakonski Kajanus wurde am 9. Februar 1946 als Sohn des Prinzen Paulo Tjegodiev Sakonski von Russland und der renommierten französisch/finnischen Skulpturistin Johanna Kajanus geboren. Sein Urgroßvater war Robert Kajanus, Komponist und enger Vertrauter von Jean Sibelius. Nebenbei bemerkt Georg Kajanus: "In Finnland war er genauso bekannt als Frauenheld und für seine Vorliebe fur das zwielichtige Milieu der dekadenten Kunstgemeinschaft Helsinkis um die Jahrhundertwende. Mir wurde des öfteren nachgesagt, ich hätte einiger seiner eher schlechteren Charakterzüge geerbt. Das sind natürlich alles Lügen." Kajanus wuchs in Norwegen auf, lebte in Kanada, Paris, Saint Tropez, in Mexiko City, wo seine Mutter ihre Studios hat, und in London. In Quebec/Kanada arbeitete er als Designer für Fensterglas, ehe ihn die englische Kirche nach Europa zurückholte, um an der Gestaltung von Kirchenfenstern mitzuarbeiten. Kajanus betätigte sich als Maler, Songwriter, Autor, aber auch als Fernsehchefkoch der britischen TV-Serie "Feast". Kajanus: "Ich wehre mich dagegen, meine Interessen auf nur einen einzigen Zweig zu beschränken."
Der Musik von Sailor drückte das Multitalent seinen Stempel auf. Sailor entwickelte mit den Songs, die im Stil von Sailor's Night zumeist aus der Feder und der zwölfsaitigen Gitarre von Georg Kajanus flossen, einen ganz eigenen Pathos. Der Seemanns-Stil überschwemmte das Studio mit manchmal zotiger Romantik und den Klängen von Straßenorgeln, gewaltigen Synthi-Bässen und dem Dröhnen von Konzertpauken. Kajanus steuerte immer neue Impulse und Klänge bei: Mandolinen, Akkordeon, Percussion-Instrumente, die er aus Mexiko mitgebracht hatte. Kurzum: Sailor war ein Inszenierung mit hoher Affinität zum Theater.
Die melancholische Romantik und Einsamkeit des schummerigen Rotlichts von Hafenkneipen schimmert durch in Themen, Texten, Klängen und letztendlich auch im Bühnenbild von Sailor. Noch war es nicht soweit. Die Fan-Biographie über die Gründerzeit: "Die Plattenfirma erschien eines Tages, um einen neuen Art namens Sailor live anzusehen. Zu der damaligen Zeit sahen sie sich meist mit den üblichen langhaarigen Rockbands konfrontiert. Nun fanden sie sich in einem kleinen Raum wieder, in dem vier kurzhaarige junge Männer merkwürdige Instrumente bedienten und Lieder sangen über Rotlichtbezirke, undurchsichtige Typen der Unterwelt, Romantik - und das alles in einer sehr eigenartigen Weise."
Die aber offensichtlich überzeugte. Im Frühjahr wurde das erste Sailor-Album eingespielt. Georg Kajanus: "Ich richtete mein Augenmerk nicht allzu sehr auf den individuellen Klang; da war einfach nur der Spaß, Dinge atmosphärisch klingen zu lassen." Das Debüt erreichte im Februar Gold in Holland, keine Überraschung, denn einer der Songs hieß Girls Of Amsterdam und klang, als sei er in den Hafenstraßen der Seefahrernation aufgenommen. Mit ihm war Sailor auch ausgiebig durch die Niederlande getourt. Den komplexen Klang des Studios mit zu nehmen, war aber auch eine der größten Herausforderungen an die Truppe. Wie sollten es die vier Musiker schaffen, das Zusammenspiel von ungefähr zehn Instrumenten auch live zu bewältigen? Heutiges High-Tech-Equipment war unbekannt - damals in 1974.
Auch dazu weiß die Fan-Biographie eine Legende zu erzählen: "Nach kurzer Zeit, eigentlich nach weniger als einem Monat nach der letzten Abmischung für das Sailor-Album, hatte Georg die Lösung: Eine maßgeschneiderte Allround-Maschine, die zwei Pianos, zwei Syntheziser, Mini-Orgeln und Glockenspiele beinhaltete, alles mechanisch miteinander verbunden und untergebracht in einem Holzrahmen, der ebenfalls selbst von Georg entworfen wurde."
Das Nickelodeon war erfunden - zusammengezimmert in nächtelanger Heimarbeit in einer Bude über einem Pub im Londoner Eastend. Henry Marsh: "Das Ding sah aus wie ein merkwürdiges, altes Möbelstück." Es wurde das Markenzeichen der Band und prägte ihre Liveauftritte: Seemannskleidung, theatralisches Bühnenbild wie aus einer Hafenstadt, Bars, Cafes, Straßenlaternen, die jede Bühne in ein rötliches Licht tauchten, Instrumente wie aus den 40er Jahren, eine Vielzahl merkwürdiger Klangkörper, die Kajanus aus Mexiko mitgebracht hatte - und eben dieses Ungetüm Nickelodeon. Eine perfekte Inszenierung, das Publikum in eine einzigartige, nostalgische Welt voller Sinneserlebnisse mitzunehmen.
Den ersten Live-Auftritt absolvierte Sailor fürs BBC-Fernsehen im September 1974. Georg Kajanus: "Ich hatte noch nie in meinem Leben soviel Angst. Das ist die Art von Dingen, die normale Menschen niemals tun würden." Die Angst war begründet: Würde das proppenvolle Szenario, würde vor allem das Nickelodeon durchhalten? Und: Würden die Energie und der gewaltige Sound beim Publikum ankommen?
Die Resonanz war gewaltig: Die Plattenfirma schickte Sailor nach Los Angeles, Paris und durch ganz England, und als eine ungewöhnliche Bereicherung war Sailor als Einheizer bei großen Acts beliebt. Einer Tour mit Kiki Dee folgte die Zusammenarbeit und echte Freundschaft mit Steve Harley und Cockney Rebel (damals gerade Top mit Come Up And See Me, Make Me Smile). Soviel Erfolg verlangte nach einem zweiten Album, es galt England endgültig zu erstürmen. Die New Yorker Jeffrey Lesser und Rupert Holmes stießen als ausgewiesene Profis zum Produktionsteam, das legendäre "Trouble"-Album wurde geboren und wuchs zur erfolgreichsten Sailor-Arbeit heran.
Phil Pickett berichtete den Fans darüber: "Wir befanden uns mitten in den Aufnahmen von Jacaranda oder so, wo Harfen und verschiedene andere, ungewöhnliche Instrumente eingesetzt wurden. Georg kam eines Morgens ins Studio, eine Kassette in der Hand, die eine Idee für einen Song namens A Glass Of Champagne enthielt. Wir hörten sie an und wussten - das war der Hit." Der Song war in Rekordzeit eingespielt, Girls, Girls, Girls, ebenfalls auf dem Trouble-Album, war bereits zigfach live erprobt.
Diese beiden Songs wurden wahre Sailor-Hymnen - noch heute gespielt und enthusiastisch von den Fans mitgesungen. A Glass Of Champagne erstürmte in der Weihnachtszeit die Nummer eins der englischen Charts, eine überschäumende Fan-Hysterie setzte auf der Insel ein. Girls, Girls, Girls wurde im Frühjahr des selben Jahres veröffentlicht und hatte den gleichen Erfolg. Es gab Gold in ganz Europa und auch in Australien. Das Sailor-Schiff lag voll im Wind.
Doch dann schickte Robert Wace, der neue Manager und Ex-Kinks-Promotor, die Band auf eine Reise ins Ungewisse - über den großen Teich. Und hier sollte die Crew in unruhige Gewässer geraten. Grant Serpell: "Wir wussten genau, dass wir eigentlich zurück nach Europa gehörten und vor Fans spielen sollten, die uns bisher nicht sehen konnten." Statt dessen mussten Sailor in den USA manchmal vor 60 Leuten oder völlig anders gepoltem Publikum auftreten. Phil Pickett: "Von einem Meer von Cowboyhüten ausgebuht zu werden, bevor du überhaupt einen einzigen Ton gespielt hast, schafft nicht gerade einen herzlichen Kontakt zum Publikum." Die Rückkehr nach Europa brachte das Album "The Third Step", nicht so erfolgreich wie "Trouble", aber immerhin mit einigen Songs, die zu den beliebtesten Live-Ohrwürmern wurden: One Drink Too Many, Give Me La Samba, Quay Hotel oder Melancholy. 1977 verließ Phil Pickett die Band. Auf dem Album "Checkpoint" fehlt er spürbar, der Discohit Down By The Docks war die Folge.
Aber Preise und Auszeichnungen für frühere Arbeiten rissen nicht ab. So nahm Sailor 1977 den Deutschen Schallplattenpreis entgegen. Die Fan-Biographie berichtet: "Sailors letzter Live-Auftritt fand am 17. Juni 1978 am Trinty College in Oxford statt. Phil war zur Band zurückgekehrt, und obwohl die Band theoretisch für ihr neues Album "Hideaway" warb, so war doch der alte Zauber verschwunden. Die Zeiten hatten sich geändert und die Pop-Welt bekam ein neues Gesicht durch Punk und New-Wave-Music."
Aber Sailor lag längst nicht auf dem Trockendock: In 1980 bestand die Band-Besetzung aus: Phil Pickett, Henry Marsh, Gavin David und Virginia David. In den 80ern komponierte Henry Marsh hauptsächlich Musik für das Fernsehen, Georg Kajanus veröffentlichte drei Alben mit "DATA", Grant Serpell unterrichtete Chemie, und Phil Pickett tourte erfolgreich mit "Culture Club". An der Komposition von Boy George's großem Hit Karma Chameleon hatte er mitgewirkt.
Um das nächste Kapitel der Sailor-Geschichte ranken sich - natürlich - auch wieder zahlreiche Legenden. Deshalb hier die Fakten, zusammengetragen von Katrin Wagner, dem unermüdlichen Spiritus der Sailor-Fangemeinde: "In 1989 wurde ein Traum für Sailor und ihre Fans wahr. Ein neues Album nach einer zehnjährigen Pause und zwei neue Hit-Singles The Secretary und La Cumbia, Songs, die immer Favoriten bei ihren Konzerten sind und die Band wieder als eine angesehene Kraft in den 90ern etablierten."
In 1995 verließ Georg Kajanus die Band um eine Solo Karriere zu starten. Aber Sailor stellten sich der scheinbar unlösbaren Aufgabe und suchten einen Nachfolger. Die Ankunft von Peter Lincoln, einem respektierten Gitarristen und Sänger, gab Sailor neues Leben. Das erste Live-Album "Live In Berlin" wurde ebenfalls in dieser Besetzung aufgenommen.
Von Ende 1999 bis April 2001 war die Besetzung der Band: Peter Lincoln (Gitarre, Gesang), Grant Serpell (Schlagzeug), Phil Pickett (Bass Nickelodeon) und Anthony England (Nickelodeon), der Henry Marsh am Nickelodeon ersetzte.
Im Mai 2001 verließ Anthony England die Band. Ein neuer junger und sehr talentierter Musiker, Rob Alderton, kam in die Band und brachte neues Leben in den Old Nickelodeon Sound. In der neuen Besetzung nahmen Sailor ihre erste DVD bei einem besonderen UK Solo-Konzert im November 2002 auf und setzten das Erbe eine der außergewöhnlichsten Bands aller Zeiten fort. Noch in 2004 wurde Sailor auf Platz 45 der erfolgreichsten Popgruppe der letzten 40 Jahre in Deutschland gewählt, vor Genesis auf 46. Sie segeln weiter, und die Sailor-Legende geht aus einem Grund weiter: "Es gibt einfach keine anderen wie sie, nirgendwo..."
Keine Frage: Die Fans lieben sie noch immer heiß - und Sailor liebt offensichtlich seine Fans ebenso: It Takes Two To Tango - beim nächsten Treffen in irgendeinem Hafen.
Hans-Joachim Nowitzki

Sonderseite im Bookelt:
Roll Over Beethoven - The Nickelodeon Sound
Dieses monströse Musikmöbel war und ist Markenzeichen von Saiten das Nickelodeon. Es sieht nicht nur so aus, es klingt auch so ähnlich wie die nostalgischen Orchestrions auf den Jahrmärkten des 19. Jahrhunderts. Das Sailor-Nickelodeon hat einen prominenten Vorgänger: Johann Nepomuk Mätzet's "Panharmonicon", für das Beethoven sein Opus 91 geschrieben hat.
Auch der Nickelodeon-Sound war ursprünglich für die Bühnen von Theatern gedacht. Die typische Sailor-Stimmung, die Melancholie, der Geruch von Seemannskneipe und Jahrmarkt war die Welt, in der Sailor-Sänger und Songwriter Georg Kajanus ein Musical spielen lassen wollte, dem die Idee zu A Sailor's Night On Town entlehnt ist Kajanus war es auch, der das erste Nickelodeon konstruierte und eigenhändig zusammenzimmerte - der Not gehorchend. Kajanus: "Das schwierigste war, dass ich eine Vision von einem Ding hatte, die sehr von der Notwendigkeit bestimmt war, dass wir all diese verschiedenen Klänge produzierten. Und es gab nur zwei Leute, die an den Keyboards sein konnten, wo man Verknüpfungen haben konnte. Das war in den Tagen bevor es MIDI gab." Also mussten mechanische Verbindungen her.
Ähnliche Gedanken müssen rund 350 Jahre vorher Johann Nepomuk Mälzel umgetrieben haben. Der Sohn eines Orgelbauers und Mechanikers aus Regensburg gilt - nicht ganz unumstritten - als Erfinder des Metronoms. Noch heute werden Tempi häufig mit Bezeichnung wie MM 144 versehen - heißt: Mälzels Metronom, 144 Schläge pro Minute. Mälzel, 1808 zum kaiserlichen Hofkammermaschinisten in Wien ernannt, konstruierte für Ludwig van Beethoven mehrere Hörrohre, und der große Komponist schrieb ein Stück (Wellingtons Sieg oder Die Schlacht von Vittoria, op.91) für Mälzels "Panharmonicon". Dieser monströse, mechanische Orchesterapparat konnte die Instrumente einer ganzen Militärmusikkapelle spielen.
Die Idee trat im 19. Jahrhundert eine Reise um die Welt an. So genannte Orchestrions, die eine komplette Musikkapelle inklusive Schlagwerk imitieren konnten, anfangs von Dampfmaschinen angetrieben, eroberten Jahrmärkte, Volksfeste und Tanzsäle. Im 20. Jahrhundert gerieten sie in Vergessenheit - bis 1974 Sailor und Georg Kajanus mit dem Nickelodeon die Renaissance des Orchestrions lautstark inszenierten. Das Instrument bestand hauptsächlich aus zwei Pianos, die Rücken an Rücken miteinander verbunden wurden, zwei Synthesizern, Miniorgeln, Glockenspiel und einem zweckentfremdeten Türklingelmechanismus. Es folgten aufwändigere, professionellere Konstruktionen, so etwa das schwarze "Steinway"-Nickelodeon. Alle Konstruktionen schleppten aber dieselben Probleme mit sich: Sie waren sperrig, schwer und manchmal auch anfällig. In den letzten Jahren gab es zwei Nickelodeons, eine 1996 kreierte Kunststoff-Version und ein 2001 gebautes blaues Musikmöbel. Eine Neukonstruktion - die Nickerbox - hat schon die Premiere hinter sich.
Denn eines ist klar: Ein Nickelodeon muss dabei sein, wenn Sailor auf der Bühne anlaufen. Dieses Vermächtnis hat Gründungsmitglied und Nickelodeon-Erfinder Georg Kajanus der Sand in die Wiege gelegt - einer der vielen Geniestreiche des Multitalents. Übri­gens: Nicht nur in ihrer rastlosen Kreativität sind sich der handwerkelnde Musiker Georg Kajanus und der musikbegeisterte Automatentüftler Johann Nepomuk Mälzel verblüffend ähnlich. Beide fesselt die Rummelplatz- und Hafenromantik, und beide sind ruhelose Weltenbummler. Mälzel starb 1838 auf einem Schiff im Hafen von La Guaira, Venezuela - angeblich an einer Übderdosis Alkohol.


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